In der letzten Augustwoche enttäuschten die Wirtschaftsdaten größtenteils und führten dank der niedrigeren Inflationserwartungen und eines Anstiegs der Aktien aus Industrieländern zu einem Rückgang der Zinsen. Die jüngsten Einkaufsmanagerindizes (EMI) deuteten auf eine nachlassende Wachstumsdynamik in der Eurozone, im Vereinigten Königreich und in den USA hin.
Sinkende US-Anleiherenditen
Am 30. August fielen die Renditen von US-Staatsanleihen während der Handelszeit auf ihren niedrigsten Stand seit mehr als zwei Wochen. Die Rendite von 2-jährigen US-Staatsanleihen ist gegenüber ihrem Höchststand von fast 5,10% zu Beginn des Monats zurückgegangen und liegt derzeit bei rund 4,89%, während die Rendite der als Benchmark geltenden, zehnjährigen US Treasury Note von 4,32% auf unter 4,12% gefallen ist.
Diese Veränderungen stehen im Zusammenhang mit einer Reihe von enttäuschenden Wirtschaftsdaten. Die letzte Korrektur des US-Bruttoinlandsprodukts zeigte, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres mit einer annualisierten Rate von 2,1% gewachsen ist, während die ursprüngliche Schätzung bei 2,4% lag.
Die jüngsten Arbeitsmarktdaten deuteten auf eine Verlangsamung am Arbeitsmarkt hin. Die Anzahl der neuen Stellenausschreibungen in den USA ist im Juli auf 8,8 Millionen zurückgegangen. Damit lagen sie unter der Konsensprognose und verzeichneten den niedrigsten Stand seit über zwei Jahren.
Die Kündigungsrate ging auf ihren niedrigsten Stand seit 30 Monaten zurück (siehe Abbildung 1), was ein Zeichen dafür ist, dass die Arbeitnehmer weniger attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten sehen.
Schließlich zeigten die ADP-Beschäftigungsdaten, dass die Zahl der Beschäftigten im privaten Sektor im Juli um 177.000 gestiegen ist. Dies ist der geringste Anstieg seit fünf Monaten und liegt unter der von Wirtschaftsexperten, die von Refinitiv befragt wurden, abgegebenen Prognose von 195.000.
Trotz der schwächeren Daten blieb die Lage am US-Arbeitsmarkt angespannt. Im Juli gab es 1,51 Stellenausschreibungen für jeden Arbeitslosen, während es im Juni noch 1,54 waren. Das ist das niedrigste Verhältnis seit September 2021 und liegt deutlich über der Bandbreite von 1,0-1,2, die als mit einem Arbeitsmarkt vereinbar gilt, der keine allzu starke Inflation verursacht. Die Entlassungen sind im historischen Vergleich ebenfalls sehr niedrig.
Die US-Notenbank wird nach weiteren Anzeichen von Schwäche am Arbeitsmarkt Ausschau halten. Wir gehen davon aus, dass der Arbeitsmarktbericht ohne Landwirtschaft (siehe Abbildung 2), der am 1. September veröffentlicht werden soll, weitere Anzeichen für eine Verlangsamung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen enthalten wird.
Falls die Anpassung (d.h. die Abschwächung) des Arbeitsmarkts anhält, könnte die Kerninflation bis Dezember auf unter 3,5% fallen und damit die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen durch die Fed verringern.
Aus einer Umfrage des Conference Board am 26. August ging hervor, dass das US-Verbrauchervertrauen im August stärker als erwartet zurückging. Mögliche Erklärungen sind u.a. der Rückgang der während der Pandemie angehäuften Ersparnisse, höhere Kreditkosten und die diesen Herbst bevorstehende Wiederaufnahme der Rückzahlungen von Studienkrediten.
In Verbindung mit den disinflationären Trends in China und der Eurozone belasten diese Kräfte die Anleiherenditen. Unsere Anleiheteams warten auf die Bestätigung, dass der vorherige Anstieg der US-Anleiherenditen eher eine Sommerlaune als der Vorläufer einer Kehrtwende beim Renditeniveau war.
Keine geldpolitischen Überraschungen in Jackson Hole
Bei seiner Rede bei der Wirtschaftskonferenz der Fed in Jackson Hole, Wyoming, am 25. August bekräftigte der Fed-Vorsitzende Powell, dass die US-Inflation „nach wie vor zu hoch“ sei und es daher erforderlich sei, dass die Zentralbank die Zinsen entweder auf ihrem aktuellen Niveau belässt oder sie anhebt, um die Inflation auf das Zielniveau von 2% zu senken.
Die Märkte rechnen damit, dass die Fed bei ihrer regulären geldpolitischen Sitzung im September den Leitzins bei 5,25%-5,50% belassen wird. Nach Powells Rede verschoben die Futures-Märkte ihre Erwartungen einer Leitzinssenkung jedoch auf Juni 2024, einen Monat später als in der vorherigen Prognose.
Heute (am 31. August) wurde der aktuelle Wert des bevorzugten Inflationsindikators der Fed veröffentlicht – der Index der privaten Konsumausgaben (PCE). Die Kernrate der privaten Konsumausgaben ohne die volatilen Komponenten Lebensmittel und Energie lag im Juli bei 4,2% gegenüber dem Vorjahr und damit leicht über der im Juni verzeichneten Rate von 4,1%.
Weitere schwache Daten in China
In China wurden weitere Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur angekündigt, um die Nachfrage anzukurbeln. Es sind jedoch bei Weitem nicht die entschiedenen Schritte, die die Märkte für notwendig halten.
Das chinesische Finanzministerium reduzierte seine Abgabe auf den Aktienhandel auf 0,05%, die erste Reduzierung dieser Art seit der Finanzkrise von 2008. Unabhängig davon versprach das staatliche Regulierungsorgan (China Securities Regulatory Commission), eine Börsenaufsicht, die Erstemissionen zu verlangsamen, da neue Notierungen in der Regel die Bewertungen senken und die Liquidität an den breiteren Märkten verringern.
Der offizielle chinesische Einkaufsmanagerindex (EMI) für das verarbeitende Gewerbe überraschte im August positiv, da der Gesamtindex auf ein Fünfmonatshoch von 49,7 gegenüber 49,3 im Juli stieg. Die Aufschlüsselung war ermutigend, da sowohl der Teilindex für die Produktion als auch derjenige für die Auftragseingänge erstmals seit März wieder über 50 lag (und dies trotz des anhaltenden Rückgangs der Exportaufträge). Der Erzeugerpreisindex stieg erstmals seit Februar auf über 50, was darauf hindeutet, dass der Produzentenpreisindex wahrscheinlich im August erstmals seit letzten November stieg.
Die positiven Nachrichten auf der Fertigungsseite wurden jedoch durch Anzeichen für eine weitere Abschwächung in der restlichen Wirtschaft überschattet. Der offizielle Einkaufsmanagerindex (EMI) für das nicht-verarbeitende Gewerbe fiel weiter von 51,5 auf 51,0, der tiefste Stand in diesem Jahr. Der Rückgang war ausschließlich auf einen weiteren Rückgang des Dienstleistungsindex von 51,5 auf 50,5 zurückzuführen.
Während die Teilsektorindizes für Transportsektoren und die Sektoren Unterkunft und Verpflegung diesen Monat alle über 55 blieben und von dem Reiseboom im Sommer profitierten, blieben die Indizes für Immobilien und Finanzdienstleistungen unter 50.
Meldungen, dass Country Garden, Chinas größter privater Bauträger, diesen Monat seinen Zahlungsverpflichtungen aus Anleihen nicht nachkommen konnte und Verluste in Höhe von 7 Mrd. USD im ersten Halbjahr 2023 auswies, haben das Vertrauen wahrscheinlich noch weiter ins Wanken gebracht. Zahlungsausfälle bei Zhongrong, einer großen chinesischen Investmentgesellschaft, ließen bei den Anlegern Bedenken aufkommen, dass die Immobilienkrise auf die Anlageprodukte des Landes übergreifen könnte.
Wenn wir einen Schritt zurücktreten, lässt sich das Gesamtbild wie folgt zusammenfassen: Während die Umfrage zum Geschäftsklima ermutigend war, bleibt die Konjunktur in China insgesamt schwach und es wird wahrscheinlich eine weitere Lockerung der Geldpolitik erforderlich sein, um das Vertrauen wieder zu stärken und das Wachstum wieder auf das diesjährige Ziel von 5% zu bringen.
Christine Lagarde – Der Star von Jackson Hole
Bei den Inflationsdaten der Eurozone insgesamt für August gab es keine wesentlichen Neuigkeiten. Die Gesamtinflation blieb im Berichtsmonat aufgrund eines starken Anstiegs der Energieinflation unverändert bei 5,3%, während die Inflation in allen anderen Bereichen rückläufig ist. Die Kerninflation ging um 20 Bp. von 5,5% auf 5,3% zurück und fiel damit etwas unter die Konsenserwartung, wofür hauptsächlich Dienstleistungen verantwortlich waren.
In Jackson Hole richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit auf die Rede des Fed-Vorsitzenden Powell. Unserer Ansicht nach hielt jedoch EZB-Präsidentin Christine Lagerde die interessanteste Rede. Sie gab zwar keine Hinweise darauf, was bei den nächsten geldpolitischen Sitzungen der Europäischen Zentralbank zu erwarten ist, sprach aber über „geldpolitische Entscheidungen in einem Zeitalter der Veränderungen und Umbrüche“, und gab zu bedenken, dass, falls wir uns in einem neuen Zeitalter befinden, frühere Gesetzmäßigkeiten unter Umständen keine gute Orientierungshilfe mehr sind, um zu verstehen, wie die Wirtschaft funktioniert.
Die Märkte preisen eine 50%ige Wahrscheinlichkeit ein, dass die EZB die Zinsen bei ihrer geldpolitischen Sitzung im September erhöhen wird. Unser makroökonomisches Team erwartet keine weiteren Zinserhöhungen und eine erste Zinssenkung durch die EZB Mitte 2024.
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