Trotz solider Wirtschaftsdaten und eines ermutigenden Starts in die Berichtssaison bleibt eine gewisse Besorgnis über das Anlageumfeld bestehen. Dafür gibt es eine breite Auswahl an Gründen: Rezessionsprognosen, erneute Zweifel an den US-Regionalbanken, eine sich hartnäckig haltende Inflation, Aktienbewertungen… die Liste ist lang.
Bis jetzt ist alles in Ordnung (so wirkt es zumindest)
Die Ergebnisse der meisten Konjunkturumfragen für April liegen inzwischen vor. Sie sind stark, insbesondere in der Eurozone. Einige Details verdienen jedoch eine genauere Betrachtung, um eine umfassendere – und möglicherweise etwas weniger rosige – Analyse der wirtschaftlichen Lage zu erhalten.
In Deutschland verbesserte sich der ifo-Geschäftsklimaindex auf 93,6 und blieb damit leicht hinter den Erwartungen zurück, erreichte aber den höchsten Stand seit Februar 2022. Ausschlaggebend dafür waren die verbesserten Aussichten, auch im angeschlagenen verarbeitenden Gewerbe, wo die Industrieunternehmen eine Produktionssteigerung erwarten.
Der Grad der Unsicherheit bei diesen Prognosen ist jedoch nach wie vor hoch und spiegelt die mangelnde Transparenz wider. Dies sollte bei der Bewertung der Einkaufsmanagerindizes (EMI) für April in der Eurozone berücksichtigt werden.
Die EMI im verarbeitenden Gewerbe sind weiter gesunken und zwar auf 44,0 in Deutschland und 45,5 in Frankreich. Derartige Werte gehen traditionell mit einem starken Rückgang der Wirtschaftstätigkeit einher. Für die gesamte Eurozone lag der Index mit 45,5 fast auf dem tiefsten Stand seit drei Jahren.
Unterdessen beschleunigte sich die Aktivität im Dienstleistungssektor weiter und der EMI stieg von 55,0 auf 56,6, den höchsten Wert seit 11 Monaten. Das Wachstumsungleichgewicht zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor der Eurozone war so groß wie zuletzt Anfang des Jahres 2009.
In den USA ist die Kluft zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor weniger deutlich. Der EMI für das verarbeitende Gewerbe kletterte im April erneut auf über 50 (50,4 gegenüber zuvor 49,2) und erreichte damit wieder das Niveau vom Oktober 2022. Regionale Umfragen im verarbeitenden Gewerbe lieferten widersprüchliche Signale. Einem starken Anstieg der Auftragseingänge in New York steht eine Verschlechterung in den Regionen Philadelphia und Dallas gegenüber.
Der positive Trend beim EMI des Dienstleistungssektors setzte sich fort (von 52,6 auf 53,7), obwohl dies den Ergebnissen anderer Umfragen widersprach. Der ISM-Index (Institute for Supply Management) verzeichnete im März einen drastischen und unerwarteten Rückgang auf 51,2 gegenüber 55,1 im Februar.
Wachstum in China besser als erwartet
Chinas BIP übertraf die Erwartungen im ersten Quartal mit einem Wachstum um 4,5 % gegenüber dem Vorjahr. Das Ergebnis war eine deutliche Beschleunigung im Vergleich zum Vorquartal (+2,9 %), die auf einen Wiederanstieg des Verbrauchs nach der Aufhebung der Covid-Beschränkungen zurückzuführen ist.
Die positive Dynamik verstärkte sich im Laufe des Quartals: Nach einem Anstieg um 3,5 % in den ersten beiden Monaten des Jahres kletterten die Einzelhandelsumsätze im März um 10,6 % im Jahresvergleich. Das Wachstum der Industrieproduktion verzeichnete im März mit 3,9 % die stärkste Steigerung seit fünf Monaten.
Diese Zahlen verstärken die Wahrscheinlichkeit, dass Chinas Wirtschaft im Jahr 2023 ihr offizielles Wachstumsziel übertreffen wird, da wir noch nicht alle Auswirkungen des Ausstiegs Pekings aus der dreijährigen Null-Covid-Strategie gesehen haben.
Rezessionserwartungen bleiben bestehen
Trotz dieser guten Nachrichten hält die Mehrheit der Marktwirtschaftler eine Rezession in den USA nach wie vor für wahrscheinlich. Die jüngsten Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) deuten auf ein hohes Maß an Unsicherheit und Abwärtsrisiken für das weltweite Wachstum hin, das für dieses Jahr auf weniger als 3,0 % geschätzt wird (mit nur 1,3 % für die Volkswirtschaften der Industrieländer gegenüber 2,7 % im Jahr 2022).
Wie sieht es mit der Inflation und den Zinssätzen aus?
Gleichzeitig ist die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie) nach wie vor zu hoch und es besteht Grund zu der Befürchtung, dass sie sich als hartnäckig erweisen könnte. Die Kerninflation in der Eurozone überschritt im November 2021 die 2 %-Marke (im Jahresvergleich). Seither ist sie weiter auf 5,7 % im März 2023 angestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits gewarnt, dass der Kampf gegen die Inflation nicht mit ihrem Zinshöhepunkt enden wird.
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel äußerte sich in einem am 25. April veröffentlichten Interview folgendermaßen: „Wir müssen einen anhaltenden Rückgang der Kerninflation beobachten, der uns das Vertrauen gibt, dass unsere Maßnahmen zu wirken beginnen.“
Weitere Anhebungen der Leitzinsen sind daher wahrscheinlich – der Markt preist solche bereits für die Anfang Mai anstehenden geldpolitischen Sitzungen der US-Notenbank und der EZB ein.
Sobald der prognostizierte Endzins erreicht ist (etwa 5,25 % in den USA und 3,75 % in der Eurozone), weichen die Pfade voneinander ab. In den USA wird bereits im September mit Zinssenkungen gerechnet (der berühmte ‚Pivot’ als Reaktion auf eine Rezession). Aufgrund der Rhetorik der EZB (‚der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen’) werden die Zinsen in der Eurozone voraussichtlich hoch bleiben. Angesichts der Tatsache, dass die Zentralbanken nicht riskieren wollen, im Hinblick auf den Rückgang der Inflation zu optimistisch zu sein, sind diese Marktprognosen unseres Erachtens jedoch noch zu niedrig.
Dieses Umfeld legt zwar eine gewisse kurzfristige Vorsicht in Bezug auf die Marktentwicklung nahe, stellt aber unsere geografischen Präferenzen, insbesondere unser Engagement in den asiatischen Schwellenländern, nicht in Frage.
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