Seit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in den USA haben sich die Ereignisse überschlagen. Am vergangenen Wochenende (18./19. März) bemühten sich die Schweizer Behörden darum, durch die von ihnen orchestrierte Übernahme der Credit Suisse durch UBS das Vertrauen in den Bankensektor wiederherzustellen. Die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank (Fed) und das US-Finanzministerium haben neben anderen Zentralbanken die schnelle Reaktion und die Maßnahmen der Schweiz begrüßt, die dazu dienten, Finanzstabilität zu gewährleisten.
Ein turbulenter Wochenauftakt
Für Nervosität bei den Anlegern sorgte eine der Klauseln im Rahmen des UBS-Übernahmedeals, wonach Additional-Tier-1-Anleihen (AT1-Anleihen) – eine Form hybrider Schuldinstrumente[1] – der Credit Suisse im Wert von 16 Milliarden CHF (17,47 Milliarden USD) auf null abgeschrieben werden sollen. Diese Entscheidung wurde dahin interpretiert, dass die Aktionäre gegenüber den AT1-Gläubigern bevorzugt werden und die übliche Forderungshierarchie somit umgedreht wird.
Über diesen Aspekt der Übernahme wurde heftig debattiert. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde beruhigte dann jedoch die Märkte, indem sie in ihrem Kommuniqué vom 20. März die Empfehlung bestätigte, dass „Aktien die Ersten sind, die Verluste absorbieren, und erst nach deren vollständiger Nutzung AT1-Kapital abgeschrieben werden muss“.
Mit der Schlussfolgerung, dass AT1-Anleihen eine wichtige Komponente der Kapitalstruktur europäischer Banken sind und auch künftig sein werden, schafften es die Behörden der Eurozone, die Bedenken der Anleger zu zerstreuen – zumal sich auch die britischen Behörden in ähnlicher Weise äußerten.
An den Börsen erholten sich Finanzwerte schnell, wobei die Bankenindizes in den USA und Europa trotz anhaltender Nervosität über das Schicksal der in San Francisco ansässigen First Republic Bank zulegten (siehe Abbildung 1). Berichten zufolge haben einige der US-Großbanken, die der angeschlagenen Regionalbank mit Einlagen im Volumen von 30 Milliarden USD beispringen, angedeutet, sie könnten mit Unterstützung der US-Regierung eine Kapitalbeteiligung erwerben.
Bankenaufseher reagieren schnell
Nachdem die Behandlung von AT1-Schulden im Rahmen der Credit-Suisse-Übernahme nun geklärt ist, müssen Anleger nicht mehr gleich eine systemische Krise befürchten, sondern können die jüngsten Turbulenzen als Ergebnis von Liquiditätsproblemen betrachten.
Die Swap-Vereinbarungen, die zwischen den Zentralbanken als ständige Fazilitäten zur Bereitstellung von Dollarliquidität existieren (die Häufigkeit dieser Devisentauschgeschäfte wurde nun ab dem 20. März von wöchentlich auf täglich erhöht), sind genau die Maßnahmen, die bei einer drohenden Liquiditätskrise typischerweise ergriffen werden, um die Lage an den Refinanzierungsmärkten zu entspannen.
Wie uns die Europäische Zentralbank in ihrer Rolle als Bankenaufsicht erinnert hat, ist das europäische Bankensystem „widerstandsfähig“, und Kapitalausstattung und Liquidität der Institute sind „robust“. Typische Indikatoren für eine Liquiditätskrise, wie etwa die Differenz zwischen der Rendite für den 3-Monats-Euribor und der Rendite für Staatsanleihen mit derselben Laufzeit (sogenannter TED-Spread), haben bislang keine Anzeichen für eine signifikante Anspannung gezeigt. Dies signalisiert eine normale Funktionsfähigkeit des Interbankenmarktes, anders als es bei der Finanzkrise von 2008 der Fall war.
Auch wenn die jüngsten Ereignisse Spuren hinterlassen werden und die Gefahr besteht, dass in den kommenden Monaten auch noch andere Institute in den Fokus geraten, so haben die Zentralbanken in ihrer Aufsichtsrolle doch rasch und effizient reagiert.
Wie steht es aber mit ihren geldpolitischen Entscheidungen – normalerweise unser Lieblingsthema in jeder Woche?
Geldpolitik bleibt (fast) auf Kurs
Wie in unserem Artikel von letzter Woche beschrieben, zögerte die EZB nicht, ihre Geldpolitik am 16. März weiter zu straffen. Dies kann insofern als beruhigend angesehen werden, als es zeigt, dass trotz der lokal begrenzten und spezifischen Probleme bei einer kleinen Anzahl von Banken an der zinspolitischen Front alles seinen gewohnten Gang geht.
Am Mittwoch erhöhte dann die US-Notenbank ihren Schlüsselsatz (Federal Funds Rate) um 25 Basispunkte (Bp) auf die neue Spanne von 4,75 % bis 5,00 %. Obwohl dieser Schritt erwartet worden war, gab der US-Dollar trotzdem nach. Der Euro legte weiter zu und kletterte in den frühen Handelsstunden am 23. März über die Marke von 1,09 USD, sein höchster Stand seit Anfang Februar.
Die Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung lieferte ein zweigeteiltes Bild. So bewertete der Fed-Vorsitzende Jerome Powell – wie schon bei seiner Rede vor dem US-Kongress am 7. und 8. März – die Lage auf dem heimischen Arbeitsmarkt weiterhin optimistisch (die Beschäftigungszuwächse hätten in den letzten Monaten angezogen und würden in einem robusten Tempo verlaufen, bei einer unverändert niedrigen Arbeitslosenquote), während der Inflationsdruck „hoch“ bleibt.
Doch schon im zweiten Absatz ihrer Pressemitteilung warnte die Fed, dass „die jüngsten Entwicklungen zu Einschränkungen der Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen führen und sich auf die wirtschaftliche Aktivität, die Einstellungen neuer Mitarbeiter und die Inflation auswirken dürften“ (siehe Abbildung 2 für die jüngsten Projektionen der Fed).
Unserer Ansicht nach hat die US-Notenbank ihre Forward Guidance geändert, spricht sie doch jetzt davon, dass noch „eine gewisse zusätzliche geldpolitische Straffung angebracht sein könnte“. Diese Wortwahl ist etwas weniger „hawkish“ als die bisher verwendete Formulierung, wonach „kontinuierliche Erhöhungen angemessen sein werden“.
Präsident Powell merkte noch an, dass einige Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss erwogen hätten, an dieser Sitzung für eine Zinspause zu stimmen. Am Ende wäre aber einstimmig beschlossen worden, den Leitzins um 25 Bp zu erhöhen.
Nervosität bleibt hoch
Neben der Berücksichtigung der veränderten Marktbedingungen dürfte die Fed auch weiterhin sicherstellen, dass ihre Geldpolitik restriktiv genug ist, um die Inflation sukzessive wieder auf den Zielwert von 2 % zurückzuführen.
Die Anleger bleiben derweil skeptisch bezüglich der Stärke des Bankensystems. Dies gilt vor allem für die USA, wie die Reaktion auf die Äußerungen von US-Finanzministerin Janet Yellen vom 22. März gezeigt hat. So sagte Yellen bei einer Anhörung im US-Senat, sie habe „nichts in Betracht gezogen oder diskutiert, was mit der Gewährung einer pauschalen Einlagensicherung zu tun hat“.
Kurz gesagt heißt das, dass die US-Regierung eine Einlagensicherung ohne Beteiligung des Kongresses weder anstrebt noch darüber gesprochen hat. Konfrontiert mit einem systemischen Risiko könnte das US-Finanzministerium jedoch möglicherweise einen Weg finden, eine solche Einlagensicherung doch noch zu realisieren.
Das Thema Sicherung von Bankeinlagen wurde auch bei der Pressekonferenz von Fed-Chef Powell ausführlich diskutiert, doch wurden keine Zusagen gemacht.
Anlageallokation
Die Märkte reagieren momentan sehr sensibel auf potenzielle negative Entwicklungen, was unseres Erachtens darauf hindeutet, dass weitere turbulente Marktphasen zu erwarten sind – auch wenn viele Anlageklassen nach wie vor starke Fundamentaldaten aufweisen.
Wir stehen Aktien insgesamt neutral gegenüber, mit einer Präferenz für die Schwellenländer, die von Chinas Wiedereröffnung nach der Corona-Pandemie profitieren dürften.
Kurzfristig halten wir es außerdem für sinnvoll, unser übergewichtetes Engagement in Investment-Grade-Unternehmensanleihen zu reduzieren: Die Kreditspreads haben sich in den letzten Tagen volatil gezeigt, und angesichts der Nervosität der Anleger ist eine weitere Ausweitung der Spreads nicht auszuschließen.
[1] AT1-Wertpapiere sind eine Form bedingter Pflichtwandelanleihen (Contingent Convertible Bonds – Cocos). Cocos wiederum sind ein Hybrid aus Eigenkapital und Fremdkapital. In guten Zeiten verhalten sie sich wie eine relativ hoch verzinste Anleihe; in schlechten Zeiten, und wenn bestimmte Trigger (Auslöseereignisse) eintreten – weil zum Beispiel eine bestimmte regulatorische Eigenmittelschwelle des Emittenten unterschritten wurde –, wandeln sich die Anleihen in Eigenkapital und reduzieren so die Schuldenlast der Bank und absorbieren die Verluste. Quelle: The Economist
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