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Wöchentliches Investment Update – Unerwartete Wendungen

Am vergangenen Freitag, nach der Veröffentlichung der jüngsten US-Inflationsdaten, schien bereits alles klar zu sein: Im Mai war die Inflation höher ausgefallen als erwartet, was die Federal Reserve dazu veranlassen würde, die Leitzinsen weiterhin rasch anzuheben. Als die EZB signalisierte, dass auch sie zum Handeln bereit war, kollabierten die Renten- und Aktienmärkte.   

Die Fed und die Inflation  

Der US-Gesamtverbraucherpreisindex stieg im Mai um 1,0 % gegenüber dem Vormonat und um 8,6 % gegenüber dem Vorjahresmonat, was eine positive Überraschung darstellte und die Annahme in Frage stellte, dass der Inflationshöhepunkt hinter uns liegt. Diese Ansicht wirkt inzwischen wie Wunschdenken.

Während sich der Kernindex (ohne Lebensmittel und Energie) von 6,5 % im März weiter auf 6,2 % im April und 6,0 % im Mai abschwächte, stiegen andere Messwerte für die zugrunde liegende Inflation, was darauf hindeutet, dass der Inflationsdruck breit basiert ist, insbesondere im Dienstleistungssektor (Flugtickets, Hotelzimmer).

Darüber hinaus stiegen die Kosten für Unterkunft, gemessen an Mieten und Eigentümeräquivalentmieten, drastisch. Die Inflation bei den Gütern beschleunigte sich vor allem aufgrund der Neu- und Gebrauchtwagenpreise.

Wie nach den Medienberichten vom Montag allgemein erwartet, erhöhte die Fed auf ihrer jüngsten geldpolitischen Sitzung die Zinsen um 75 Basispunkte und vollzog damit ihren größten Zinsschritt seit 28 Jahren.

Die wichtigste neue Information aus der Pressekonferenz des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell war, dass bei der nächsten Sitzung eine weitere Zinserhöhung um 50 bis 75 Basispunkte erfolgen dürfte. Powell qualifizierte die größere Zinserhöhung der Fed als Reaktion auf die Inflationsdaten als ungewöhnlich. Dies dürfte dazu beitragen, die Marktspekulationen über eine mögliche Leitzinsanhebung um 100 Basispunkte auf der Juli-Sitzung – zumindest vorläufig – zu dämpfen.

Schneller höher?

Des Weiteren veröffentlichte die Fed neue Wirtschaftsprognosen, denen zufolge der Ausblick weiterhin positiv ist. Das jüngste ‚Dot Plot‘ zu den Zinserwartungen zeigt, dass die Zinssätze Ende dieses Jahres fast 3,5 % erreichen und 2023 um weitere 50 Basispunkte steigen dürften, bevor 2024 eine leichte Lockerung einsetzen sollte.

Die Markterwartungen im Vorfeld der jüngsten Fed-Maßnahmen hatten die Rendite der zehnjährigen T-Note am 14. Juni bereits auf 3,47 % steigen lassen – ein Niveau, das seit einem Jahrzehnt nicht mehr erreicht wurde – und eine Abflachung der Renditekurve bewirkt, während die Rendite zweijähriger T-Notes bei 3,43 % schloss.

Die Hypothese einer drastischen Straffung der US-Geldpolitik belastete die Aktienmärkte stark. Der S&P 500 verzeichnete fünf Tage in Folge Kursverluste und musste zwischen dem 7. und 14. Juni 10 % abgeben.

Die EZB und die Fragmentierung  

Auf der anderen Seite des Atlantiks fielen die Aktien ebenfalls stark, wenn auch in etwas geringerem Maße (EuroSTOXX-Index -8,2 % zwischen dem 7. und 14. Juni).  

An den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere sind die Aussichten nicht besser als in den USA. Seit der EZB-Sitzung am 9. Juni ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen bis zum 14. Juni um mehr als 40 Basispunkte auf 1,76 %, ihren höchsten Stand seit Anfang 2014, gestiegen.

Darüber hinaus weiteten sich die Spreads innerhalb der Eurozone abrupt aus, was das Schreckgespenst einer Staatsschuldenkrise wieder aufleben ließ. Das Ende der Nettokäufe von Vermögenswerten durch die EZB ließ die (wohl etwas verfrühte) Sorge aufkommen, dass es für die höher verschuldeten Länder angesichts steigender Kreditkosten schwierig werden könnte, ihre Schulden zu finanzieren.

Die Rentenmärkte der ‚Peripherieländer‘ der Eurozone hatten zu leiden. Bei Marktschluss am 14. Juni betrug die Differenz zwischen italienischen und deutschen Renditen bei zehnjährigen Laufzeiten mehr als 240 Basispunkte, im Vergleich zu 200 Basispunkten Ende Mai. Das Überschreiten der Schwelle von 200 Basispunkten, später 225 Basispunkten und schließlich 250 Basispunkten innerhalb eines Tages führte zu Nervosität unter den Marktteilnehmern, die davon ausgingen, dass die EZB einen solchen Anstieg der italienischen Renditen nicht tolerieren und entsprechend reagieren würde.

‚Keine Grenzen‘

Das tat sie tatsächlich, und zwar in zwei Etappen: EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel erklärte zunächst, dass die Europäische Zentralbank keine Fragmentierung dulden werde, da diese die Geldpolitik beeinträchtigen würde. Trotz ihrer deutlichen Worte: ‚Unser Engagement für den Euro ist unser Werkzeug gegen eine Fragmentierung. Dieses Engagement kennt keine Grenzen‘, schien die Rede die Anleger nicht vollständig zu überzeugen.

Es folgte eine Ad-hoc-Sitzung des EZB-Rates, um ‚die aktuellen Marktbedingungen zu erörtern‘. Die EZB kündigte an, dass sie ‚bei der Wiederanlage fälliger Tilgungen im Portfolio des Pandemie-Notkaufprogramms (PEPP) flexibel vorgehen wird, um das Funktionieren des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu gewährleisten‘. Darüber hinaus soll die Arbeit an der Konzeption eines neuen Anti-Fragmentierungsinstruments beschleunigt werden.

Die Ad-hoc-Sitzung machte deutlich, dass die starken Schwankungen der Spreads in der Eurozone der EZB Sorgen bereiten und dass diese ihre Flexibilität und die Ablehnung der Fragmentierung zu Protokoll geben wollte, um zu signalisieren, dass sie in der Lage ist, bei erratischen Marktbewegungen zu handeln.

Auch wenn die Wirkung (noch?) nicht so beeindruckend ist wie der Kommentar des ehemaligen Präsidenten Mario Draghi vom Juli 2012 (‚die EZB ist bereit, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu erhalten‘), haben sich die Spreads nun verengt, und wahrscheinlich müssen viele Anleger ihre Short-Positionen (ein ‚Crowded Trade‘) nicht nur in den ‚Peripheriemärkten‘, sondern auch in den ‚Kernmärkten‘ wie Deutschland auflösen.

Unsere Fixed-Income-Management-Teams haben beschlossen, ihr Italien-Engagement von einer Untergewichtung zurück auf neutral zu setzen, während sie ihre kurze Duration in Multi-Asset-Portfolios beibehalten.

Durch ihren mehr oder weniger allmählichen Ausstieg aus der außerordentlichen Geldpolitik, die sie während der Pandemie eingeführt hatten, zeigen die Zentralbanken, dass sie die Reaktion des Marktes weiterhin berücksichtigen. Der Kampf gegen die Inflation ist zwar in ihrer Reaktionsfunktion zur Schlüsselvariable geworden, aber sie wollen keine neue Krise provozieren.

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