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IM VORDERGRUND | Artikel - 3 Min

Wöchentliches Investment Update – Die Europäische Zentralbank tritt auf den Plan

Der Mai endete für die Aktien positiv, da sie wieder ihr Niveau von Ende April erreichten (MSCI ACWI), doch im Juni kam es zu einer erneuten Schwäche. Zum Handelsschluss am 8. Juni hatten sie seit Monatsbeginn an Boden verloren. Einige Wirtschaftsindikatoren sind nach wie vor stark, aber die Anleger zögern weiterhin, da sie sich Sorgen um eine mögliche Rezession, eine voraussichtlich länger anhaltende Inflation und die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik machen.   

Bislang bietet sich in den USA ein positives Bild …

Der US-Arbeitsmarkt ist nach wie vor stark: Die Nachricht, dass im Mai 390.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden und damit in diesem Jahr insgesamt 2,4 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden sind, war besser als erwartet. Die Arbeitslosenquote hat sich bei 3,6 % stabilisiert, und die Erwerbsquote ist gestiegen, nachdem sie im April unerwartet zurückgegangen war.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Lohnwachstum weiter verlangsamt, bleibt aber in absoluten Zahlen mit einem Anstieg von 6,5 % gegenüber dem Vorjahr für die Beschäftigten in der Produktion und im nichtleitenden Bereich hoch.

Unternehmensumfragen deuten auf eine Verlangsamung des Wachstums in den kommenden Monaten hin, die allerdings auf ein hohes BIP-Wachstumstempo Ende 2021 folgen würde. Die Einkaufsmanagerindizes lassen weiterhin mit einer Expansion rechnen.

Die Inlandsnachfrage konnte bisher den Auswirkungen der steigenden Inflation standhalten. Auch wenn die privaten Konsumausgaben nach 0,5 % im März im April um 0,7 % gestiegen sind, haben die hohen Preise, insbesondere für Benzin, begonnen, das Vertrauen der Haushalte zu untergraben. Der Verbrauchervertrauensindex der University of Michigan fiel im Mai auf seinen niedrigsten Stand seit Mitte 2011, und der Preis für eine Gallone Normalbenzin übersteigt in vielen Bundesstaaten inzwischen die symbolische Fünf-Dollar-Grenze.

… aber wird es eine Rezession geben?

Die Ökonomen sind gespalten: die einen trauen der US-Notenbank (Fed) eine weiche Landung der Wirtschaft zu, während die anderen davon überzeugt sind, dass ihr die Situation entgleiten wird und steigende Leitzinsen eine Rezession bewirken werden.

Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, Tatsache ist, dass das ‚R-Wort‘ – Rezession – seit Februar sowohl an der Wall Street als auch in der breiten Öffentlichkeit immer häufiger erwähnt wird, was die wachsende Besorgnis der Anleger und Wirtschaftsakteure widerspiegelt. Dies bereitet der Regierung Biden angesichts der im November anstehenden Zwischenwahlen zunehmend Sorgen.

Die Fed scheint sich darauf zu konzentrieren, ihr Inflationsziel von 2 % zu erreichen, und wird ihren Zinserhöhungszyklus wohl so lange fortsetzen, bis sie ‚klare und überzeugende‘ Beweise dafür hat, dass die Preisstabilität wiederhergestellt ist. Die Erwartungen der Wirtschaftswissenschaftler und der Märkte haben sich bereits weitgehend auf diese Vorstellung eingestellt.

Europäische Zentralbank: Keine kleinen Schritte mehr?  

Nach der letzten EZB-Ratssitzung könnte es eine gewisse Zeit dauern, bis sich die Erwartungen an die Geldpolitik der Eurozone stabilisieren. Im Mai vervielfachte sich die Zahl der aggressiven Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern, darunter auch von einigen, die sich im Allgemeinen neutral oder sogar gemäßigt verhalten. Dies hat zu einer Verlagerung der geldpolitischen Erwartungen geführt.

Die EZB bestätigte nun, dass ‚der EZB-Rat beabsichtigt, die Leitzinsen auf seiner geldpolitischen Sitzung im Juli um 25 Basispunkte anzuheben‘, erklärte aber auch, dass sie ‚von einer weiteren Leitzinsanhebung im September ausgeht. Die Kalibrierung dieser Zinserhöhung wird vom aktualisierten mittelfristigen Inflationsausblick abhängen‘.

Die Zentralbank bestritt nicht, dass eine umfassendere Zinserhöhung, vielleicht um 50 Basispunkte, ‚im September angemessen‘ sein könnte. Sie geht darüber hinaus von einer ‚allmählichen, aber nachhaltigen Serie von weiteren Erhöhungen‘ aus.

Wie die Fed scheint auch die EZB ihre Analyse und Inflationsprognosen überarbeitet zu haben. Präsidentin Christine Lagarde stellte klar, dass ‚der Preisanstieg in allen Sektoren um sich greift (…), das Lohnwachstum zuzunehmen beginnt und (…) erste Anzeichen für Inflationserwartungen über dem Zielwert eine Überwachung rechtfertigen‘.

Die EZB prognostiziert für das Jahr 2022 eine Inflation von 6,8 %, 3,5 % im Jahr 2023 und 2,1 % im Jahr 2024. Der Vergleich mit den Prognosen vom März (5,1 %, 2,1 % bzw. 1,9 %) bekräftigt die Vorstellung, dass die Inflation ‚länger höher‘ bleiben wird, zumal die Kerninflation im Jahr 2023 nun voraussichtlich 2,8 % erreichen dürfte – deutlich mehr als die im März prognostizierten 1,8 % und mehr als das mittelfristige Inflationsziel der EZB von 2 %.

Diese Zahlen sind hoch und untermauern eine deutliche Änderung des Szenarios der EZB. Die Anleger werden dies ebenso verdauen müssen wie die Änderung des Tons der Fed vor einigen Monaten.

Kurzfristig trägt der Anstieg der Anleiherenditen nach den jüngsten Äußerungen der EZB zur Volatilität und Nervosität sowohl an den Renten- als auch an den Aktienmärkten bei. Dies rechtfertigt unserer Meinung nach die vorsichtigere Haltung, die wir in unseren Portfolios eingenommen haben, insbesondere durch die Reduzierung unseres Engagements in Aktien der Eurozone.

Der unerwartet harte geldpolitische Kurs der EZB kommt nämlich zu einer Verlangsamung des Wachstums, den geopolitischen Turbulenzen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt und – aus mikroökonomischer Sicht – zu Gewinnaussichten hinzu, die diese hemmenden Einflussgrößen noch nicht vollständig zu berücksichtigen scheinen.

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