Der derzeitige Abschwung ist wirklich global – wir sind daher erstaunt über die Kluft zwischen den optimistischen Einschätzungen der Aktienanalysten und der Vorsicht der Wirtschaftswissenschaftler. Darüber hinaus stimmen wir nicht mit der Überzeugung des Marktes überein, dass die Zentralbanken die Zinssätze nicht so stark anheben werden, wie die schlechten Wirtschaftsnachrichten vermuten ließen. Könnte das Ende ihres Zinserhöhungszyklus bereits in Sicht sein?
Das denken wir nicht. Dafür wird die Inflation wahrscheinlich nicht schnell genug abklingen. Die (Rohstoff-)Preise dürften aufgrund des Ukraine-Kriegs wohl hoch bleiben und die Engpässe in der Versorgungskette dürften sich nicht so bald auflösen. Die hohen Immobilienpreise werden wahrscheinlich noch monatelang für Druck auf die Mieten sorgen. Die Lohnforderungen steigen als Reaktion auf einen angespannten Arbeitsmarkt und die hohe Inflation.
Wir gehen davon aus, dass es einer weiteren Straffung durch die Zentralbank und einer stärkeren Verlangsamung des Wachstums bedarf, bevor die Inflation auch nur in die Nähe der Ziele der politischen Entscheidungsträger fällt. Infolgedessen gewichten wir die Duration unter.
Unternehmensberichtssaison
In diesem Zusammenhang ist die jüngste Unternehmensberichtssaison dennoch ermutigend. Abgesehen von den starken Ergebnissen des Energiesektors und den umfassenden Rückgängen bei den Finanzwerten waren sowohl das Umsatz- als auch das Gewinnwachstum positiv (und übertrafen die Erwartungen). Unserer Meinung nach kann dies nicht von Dauer sein, denn die aktuellen Prognosen (siehe Diagramm 1) passen nicht zu der von uns erwarteten Konjunkturabschwächung. Die Gewinne werden wahrscheinlich sinken, sowie die Aktienkurse.
Die Tatsache, dass derzeit kein Rückgang der weltweiten Gewinne eingepreist ist, steht in krassem Kontrast zu dem Ertragsrückgang um 9-17 %, der wahrscheinlich ist, wenn die Erträge entweder teilweise oder vollständig zum Trend zurückkehren. Bei einem Rückgang um 9 % würde das Kurs-Gewinn-Verhältnis für den MSCI US bei 16,3 liegen, also ungefähr auf dem heutigen Stand. Ein stärkerer Rückgang um 17 % entspräche einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 19,5, wobei eine bedeutende Rezession einen Gewinnrückgang um 35 % nach sich ziehen könnte.
Portfolio-Anpassungen
Unsere Multi-Asset-Portfolios sind vorsichtig positioniert: Wir versuchen, das Risiko in Bereichen wie erstklassigen Unternehmensanleihen und Rohstoffen allmählich zu erhöhen, während wir die Duration untergewichten und bei Aktien neutral bleiben.
Im Laufe des Monats haben wir vier Änderungen an der Portfoliopositionierung vorgenommen:
- Erstens: wir stuften Unternehmensanleihen auf ‚Bereitschaft‘ hoch, wobei wir uns insbesondere auf europäische Investment-Grade-Anleihen konzentrierten, bei denen die Notlage inzwischen ausgeprägt ist und die Bewertungen zunehmend attraktiv erscheinen. Europäische IG-Anleihen scheinen eine implizite Ausfallrate von 8-10 % einzupreisen – das ist das Doppelte der schlechtesten Rate der letzten fünf Jahre und das Achtfache des historischen Durchschnitts. In Anbetracht der von uns erwarteten leichten Korrektur – vergleichbar mit 2001 – und der weitgehend gesunden Unternehmensfinanzen wirkt dies zu düster.
- Zweitens: wir haben unsere Short-Position bei der europäischen Duration taktisch vertieft. Die Reaktionen auf die Gaskrise dürften angesichts der Bedenken der Zentralbanken hinsichtlich der kurzfristigen Inflation und der Tendenz zu einer strafferen Geldpolitik fiskalischer Art sein.
- Drittens: wir verstärkten unser taktisches Engagement in Rohstoffen. Zu den fundamentalen Faktoren gehören Ressourcennationalismus und Greenflation, aber auch die Geopolitik – Rohstoffe profitieren typischerweise in unsicheren Zeiten. Außerdem besteht eine klare Angebotsknappheit. Schließlich gibt es Unterstützung durch die chinesische Wirtschaftspolitik, die weiterhin zur Lockerung tendiert.
- Viertens: wir haben unser bescheidenes Engagement in den Schwellenländern verkauft, während wir unsere Engagements in China und Japan beibehalten und unsere Short-Positionen in Europa weitgehend kompensiert haben.
Ansichten zur Anlageklasse
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