Erhebliche hemmende Einflüsse durch eine straffere Geld- und Fiskalpolitik beginnen das Wachstum in der Eurozone zu bremsen. Der Arbeitsmarkt und der Dienstleistungssektor bleiben jedoch widerstandsfähig.
Eurozone: Schwaches Wachstum, starker Arbeitsmarkt
Die in dieser Woche von Eurostat veröffentlichten Daten zeigen, dass die Wirtschaft der Eurozone zu Beginn des Jahres 2023 kaum gewachsen ist. Das BIP stieg um 0,1 % gegenüber dem Vorquartal und lag damit nur geringfügig über dem Wachstum von 0 % im vierten Quartal 2022. Die Daten auf nationaler Ebene deuten darauf hin, dass der private Verbrauch aufgrund von realen Kaufkraftverlusten der Hauptverantwortliche ist. Die Nettoexporte trugen positiv zum BIP-Wachstum bei, unterstützt durch starke Dienstleistungsexporte (Tourismus).
Im Gegensatz zur BIP-Schwäche sind die Signale vom Arbeitsmarkt stärker. Die Beschäftigung in der Eurozone stieg im Quartalsvergleich um 0,6 % und übertraf damit die BIP-Entwicklung, deutet aber gleichzeitig auf eine Schwäche der Arbeitsproduktivität hin. Der dynamische Arbeitsmarkt dürfte den Lohndruck aufrechterhalten, aber auch den privaten Verbrauch stützen.
Unsere Kapitalmarktstrategen rechnen mit einer leichten Erholung des Wachstums in der Eurozone im ersten Halbjahr 2023, was auf eine bessere Stimmung hinsichtlich des Ausblicks für die Energiepreise zurückzuführen ist. Es besteht die Gefahr, dass eine durch die Geldpolitik verursachte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen zu einer erheblichen Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit und vielleicht sogar zu einer Rezession führt.
Dienstleistungen treiben jetzt die Kerninflation in der Eurozone
Die endgültige Veröffentlichung des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) der Eurozone für April bestätigte, dass die Inflation im April aufgrund von Basiseffekten im Energiesektor auf 7,0 % gegenüber des Vorjahres gestiegen ist. Ein Rückgang der Lebensmittelpreise trug zum Ausgleich der Auswirkungen der höheren Energiepreise bei.
Die Kerninflation ging im Vergleich zum März leicht auf 5,6 % zurück. Auf Monatsbasis stieg die Inflation jedoch an, wofür der Dienstleistungssektor verantwortlich war. Diese Daten bestätigen, dass der Haupttreiber der Kerninflation in der Eurozone jetzt nicht mehr die Waren, sondern die Dienstleistungen sind.
Unsere Kapitalmarktstrategen gehen davon aus, dass die Kerninflation mindestens bis zum Ende des Sommers auf dem derzeitigen Niveau verharren wird. Bei der Gesamtinflation besteht jedoch noch Spielraum für einen weiteren Rückgang.
Deutschland: Rückgang des Anlegervertrauens
Die ZEW-Umfrage, ein guter Frühindikator für konjunkturelle Wendepunkte, zeigte im Mai eine deutliche Verschlechterung des Vertrauens der deutschen Anleger. Die ZEW-Erwartungsumfrage für Deutschland ist erstmals seit Dezember 2022 wieder in den negativen Bereich gefallen. Der Indikator für die aktuelle Bewertung blieb relativ unverändert.
Die Erwartungen für die USA gingen in geringerem Maße zurück, liegen aber auf einem niedrigen Niveau. In China ist der Nettowert weiterhin positiv. Die Gewinnerwartungen für die einzelnen Sektoren haben sich weiter aufgefächert: Die Anleger sind pessimistischer in Bezug auf die Automobil-, die Stahl- und die chemische Industrie geworden aber optimistischer in Bezug auf die inlandsorientierten Versorgungsunternehmen, den Dienstleistungssektor und das Finanzwesen.
Dieser dritte Rückgang der ZEW-Erwartungsumfrage und der Rückgang in den negativen Bereich könnten Rückgänge der in der kommenden Woche veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes und der deutschen ifo-Umfrage ankündigen und Abwärtsrisiken für das Wachstum der Eurozone signalisieren.
Gespräche über die US-Schuldengrenze tasten sich voran
Präsident Biden brach eine Auslandsreise ab und kehrte am Sonntag nach Washington zurück, nachdem es Anzeichen dafür gab, dass sich die Gesetzgeber auf eine Einigung zur Anhebung der Schuldenobergrenze und zur Abwendung eines noch nie dagewesenen Staatsbankrotts zubewegen. Es bleibt nur noch wenig Zeit, um eine umfassende Einigung zu erzielen, bevor Finanzministerin Yellen den voraussichtlichen Termin festlegt, an dem dem Finanzministerium das Geld ausgehen wird (bereits am 1. Juni).
Präsident Biden und die Kongressführung werden möglicherweise nur eine kurzfristige Einigung finden, sodass im Herbst eine substanziellere Einigung erzielt werden muss.
Abwarten bei US-Leitzinsen
Im Einklang mit unserer Erwartung, dass die US-Leitzinsen vor einer möglichen ersten Zinssenkung im Dezember auf Eis gelegt werden, deuteten der Präsident der Chicago Fed, Goolsbee, und der Präsident der Atlanta Fed, Bostic, an, dass sie bei der Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank am 13. und 14. Juni eine Pause bevorzugen würden. Goolsbee plädierte dafür, Stress im Bankensektor mit „Umsicht und Geduld“ zu bewerten.
Strategien, die eine Versteilerung der US-Renditekurve vorwegnehmen (bei der die kurzfristigen Zinsen stärker fallen als die langfristigen), bieten eine Versicherung gegen eine mögliche harte Landung der US-Wirtschaft. Diese Strategie ist jedoch aus der Carry-Perspektive kostspielig, da der Markt bereits eine Reihe von Zinssenkungen eingepreist hat.
Die Turbulenzen im US-Bankwesen lösten im März eine Versteilerung der US-Renditekurve aus (siehe Abbildung 1 unten). Sollte es nicht zu weiteren Verwerfungen im US-Bankensektor und zu einer anhaltenden Periode kommen, während der die Fed weitere Zinsschritte aussetzt, könnte sich das für Versteilerungspositionen als schwierig erweisen. Wir halten diese Position als Absicherung gegen eine Verschlechterung des Ausblicks für die US-Wirtschaft.
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