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Im vordergrund | Artikel - 4 Min

Weekly Market Update – Jenseits der US-Schuldenobergrenze

Da die USA es offenbar vermeiden konnten, mit dem Kopf gegen die Schuldenobergrenze zu stoßen, richtet sich die Aufmerksamkeit der Märkte jetzt wieder auf die makroökonomischen Daten.   

Die jüngsten Veröffentlichungen konnten die Besorgnis über die Folgen einer Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken in einer Zeit, in der sich das Wirtschaftswachstum ohnehin bereits verlangsamt, nicht mildern. Darüber hinaus haben die jüngsten Wirtschaftsdaten aus China die Besorgnis über die Stärke des Aufschwungs erneut verstärkt.

Vor diesem Hintergrund hat unser Multi-Asset-Team eine defensivere Haltung gegenüber Aktien aus Industrieländern eingenommen und US-Aktien auf ‚verkaufen‘ herabgestuft. Es bleibt in Europa untergewichtet, während es Aktien aus asiatischen Schwellenländern als ‚konstruktiv’ einstuft.

Die Inflations- und Konjunkturdaten sind nicht hilfreich

Die jüngsten Inflations- und Wachstumsdaten konnten die Besorgnis über die Gefahr einer Stagflation nicht mildern. Der von der US-Notenbank bevorzugte Indikator für die Inflation, der PCE-Index (Personal Consumption Expenditures), ist im April stärker gestiegen als erwartet. Die Gesamtinflation stieg von 4,2 % im März auf 4,4 % gegenüber des Vorjahres und die Kerninflation erhöhte sich auf 4,7 %.

In der Eurozone stieg die Kerninflation um 5,6 % im Vergleich zu 2022, angekurbelt durch einen sprunghaften Anstieg der ausgehandelten Lohnerhöhungen auf 4,3 % im ersten Quartal 2023, gegenüber 3,1 % im letzten Quartal 2022.

Die Kerninflation im Vereinigten Königreich war ebenfalls höher als erwartet und stieg im April auf 6,8 % gegenüber dem Vorjahr im Vergleich zu 6,2 % im März. Der überraschende Anstieg veranlasste den Markt zu einer Neubewertung der Zahl der Zinserhöhungen, die die Bank of England noch vornehmen könnte und der Frage, wie lange die Leitzinsen im restriktiven Bereich bleiben müssen.

Unterdessen gibt es neue Anzeichen für eine Abschwächung der Aktivität in der Eurozone: Deutschland befindet sich nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit schrumpfendem BIP nun in einer technischen Rezession. Die ifo-Umfrage unter deutschen Unternehmen ergab, dass sich die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate deutlich verschlechtert haben.

Obwohl die akuteste Phase der Energiekrise vorbei ist, deuten die anhaltende Schwäche des verarbeitenden Gewerbes und die nachlassende Dynamik im Dienstleistungssektor darauf hin, dass sich die Wachstumsaussichten für Deutschland – und in gewissem Maße auch für die Eurozone insgesamt – abschwächen dürften, zumal die restriktive Geldpolitik weiterhin ihre Wirkung zeigt.

Jenseits der Schuldenobergrenze

Am 23. Mai setzte Fitch Ratings das AAA-Rating für US-Staatsanleihen wegen der waghalsigen Verhandlungen über die Schuldenobergrenze und die potenziellen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der USA auf ‚Negative Watch’. Es sei daran erinnert, dass S&P die US-Staatsverschuldung auf AA+ herabgestuft hat, nachdem das Drama um die Schuldenobergrenze im Jahr 2011 in ähnlicher Weise beigelegt worden war. Selbst wenn eine Zahlungsunfähigkeit der USA dieses Mal abgewendet wird, könnte es also trotzdem zu einer Herabstufung der Ratings kommen.

Kurzfristige Risiken ergeben sich, weil das US-Finanzministerium das Treasury General Account (TGA) – das von der US-Notenbank geführte Betriebskonto der Regierung zur Abwicklung der täglichen Transaktionen des öffentlichen Sektors – wieder auffüllen muss.

Aufgrund der aussichtslosen Schuldenverhandlungen war der Saldo des TGA in den letzten Wochen mit nur rund 50 Mrd. USD (Schaubild 1) im Vergleich zu normalerweise 600 Mrd. USD bedenklich niedrig. Finanzministerin Yellen hat wiederholt davor gewarnt, dass der Regierung bis zum X-Datum das Geld ausgehen würde, um ihre Rechnungen zu bezahlen.

Sobald – und vorausgesetzt, dass – die Schuldenobergrenze überwunden ist, wird das Finanzministerium das TGA durch die Ausgabe von Schatzwechseln (T-Bills) auffüllen müssen, die sich einigen Schätzungen zufolge in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 auf mehr als 1 Billion USD belaufen dürften. Eine solche Emissionswelle könnte dem US-Finanzsystem Liquidität entziehen und zu einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen in der US-Wirtschaft beitragen.

Geldmarktfonds (MMFs) sind wichtige Käufer von Schatzwechseln. Wenn eine Flut neuer Schatzwechsel emittiert wird, muss die Rendite über die vorherrschende Rendite steigen, damit die Geldmarktfonds sie weiterhin kaufen. Dies würde zu höheren Finanzierungskosten an den kurzfristigen Geldmärkten führen, was wiederum die Liquiditätsprobleme der Banken verschärfen würde.

Die Aussicht auf eine geringere Marktliquidität in Verbindung mit der Erwartung einer restriktiven Geldpolitik der Fed dürfte kurzfristig starke hemmende Einflüsse für Aktien bedeuten. 

Besorgnis über Chinas Wachstum

Nachdem sich das chinesische BIP-Wachstum im ersten Quartal 2023 erholt hatte, scheint die Erholung an Schwung verloren zu haben. Dies spiegelt zwei miteinander verbundene Probleme wider: Die Lockerung der Geldpolitik führt nicht zu einer Verbesserung des öffentlichen Vertrauens, und das schwache Verbrauchervertrauen belastet die Ausgaben.

Jüngste offizielle Erhebungen über die Ausgabenbereitschaft der chinesischen Haushalte zeigen nur eine beginnende Erholung; die Sparabsicht ist nicht zurückgegangen. Diese Kombination spiegelt einen Mangel an Verbrauchervertrauen wider, das sich nicht einfach an- und ausschalten lässt: Es braucht Zeit, um sich zu erholen.

Die zögerliche Lockerung der Geldpolitik durch Peking ist einer schnellen Erholung des Vertrauens jedoch nicht förderlich. Die Auswirkungen des zögerlichen Vorgehens der Behörden lassen sich an dem hohen realen Leitzins ablesen, der immer noch über dem langfristigen Durchschnitt liegt (Diagramm 2). Die fehlende Überzeugung von einer geldpolitischen Lockerung hat bewirkt, dass die chinesischen Aktien nach der starken Rallye zwischen November 2022 und Februar 2023 schwach blieben.

Um die wirtschaftliche Erholung Chinas nachhaltig anzukurbeln, könnte die vom Markt eingepreiste schrittweise Lockerung der Geldpolitik unzureichend sein. Möglicherweise muss Peking seine Geldpolitik aggressiver lockern und gezieltere Maßnahmen ergreifen, um den Konsum und die Investitionen des privaten Sektors anzukurbeln.

Wenn die nächste Lockerungsrunde auf breiter Basis und mit Überzeugung durchgeführt wird, dürfte sie sowohl die makroökonomischen als auch die Ertragseigenschaften verbessern und die Erholung des Marktes für A-Aktien wiederbeleben. Vor diesem Hintergrund bleiben wir neben unserer positiven Einstellung zu asiatischen Schwellenländern auch für chinesische Aktien konstruktiv gestimmt.

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